1. Stephani-Ritt nach Schwarzensee im Wienerwald
Der Erste Hirtenberger Reit- und Fahrverein hat am Stephanitag, dem 26. Dezember 2014 seinen ersten Stephani-Ritt nach Schwarzensee im Wienerwald abgehalten. Seitens des Vereins war es Obmann Manfred Wöhrer und seinem Team ein Anliegen die Anregung und die Programmgestaltung vom NOEPS-Kulturreferenten Otto Kurt Knoll zu dieser Traditionsveranstaltung mit Elan umzusetzen. Der 1. Stephani-Ritt des Ersten Hirtenberger Reit- und Fahrvereins ist auch der bis zum Jahr 2014 einzige bekannte Stephani-Ritt in Niederösterreich in entsprechend traditioneller Form.
Der Wienerwald Wallfahrtsort Schwarzensee zum hl. Ägydius wurde in früheren Zeiten am Stephanitag von Pferdebesitzern aufgesucht, um vor dem Stephanusbild in der Kirche, den ältesten Pferdepatron, den Erzmärtyrer Stephanus, um Fürbitte anzurufen. Mit dem Stephani-Ritt wird nach Jahrhunderten, wenn auch in anderer Form, die Tradition der Verehrung des Pferdepatrons Stephanus in Schwarzensee wieder aufgegriffen. Auf Grund des guten Zuspruchs findet am 26. Dezember 2015 der 2. Stephani-Ritt nach Schwarzensee statt.
Stephani-Ritte wurden im Laufe der Zeit von Leonhardi-Ritten immer mehr verdrängt und beschränken sich heute nur mehr auf einige Orte in Österreich. Umfragen bei erfahrenen Pferdeleuten hat ergeben, dass in Niederösterreich diese Tradition nicht (mehr) gepflegt wird.
Um die Verbindung zum größten Stephanusort Österreichs, dem Wiener Stephansdom, herzustellen, wurden zuvor am 26. Dezember 2014 nach der Frühmesse im Stephansdom von Weihbischof Stephan Turnovszky rote Stephani-Votivkerzen für den Schwarzenseer Stephani-Ritt gesegnet.
Der Ausgangspunkt für den Stephani-Ritt war der Bauernhof Josef Appel in Fahrafeld im Wienerwald. Zur Vereinsgruppe gesellten sich auch Reiterinnen des Islandpferdevereins Völva aus Gainfarn/Bad Vöslau. Die Pferdefreunde freuten sich über die Begrüßung durch die zuständige Bürgermeisterin Eva Baja-Wendl (Marktgemeinde Pottenstein), der es ein sichtbares Anliegen war, zu kommen. Die Reiter und Gespannfahrer waren auf einer schön angelegten Route – mit einer kurz eingelegten Rast – eineinhalb Stunden nach Schwarzensee unterwegs.
Um 11 Uhr wurden die Stephani-Reiter vom Wallfahrtsseelsorger von Schwarzensee
- Benedikt Stary (Zisterzienser des Stiftes Heiligenkreuz) dem Anlass entsprechend im Habit und rotem Chormantel willkommen geheißen. Ja, wenn sich die Pferdefreunde schon sehr viele Mühe geben, hat auch P. Benedikt seine Referenz damit erwiesen, indem er jene Gewänder angelegt hat, die für eine religiöse Pferdebrauchtumsveranstaltung angemessen sind.
Nach der Ross-Segnung übermittelte seitens des NÖ Pferdesportverbandes dessen Kulturreferent Otto Kurt Knoll die Grüße des Verbandes und sprach den Wunsch aus, dass auch in den kommenden Jahren der Stephani-Ritt nach Schwarzensee fixer Bestandteil des Ersten Hirtenberger Reit- und Fahrvereins sein möge. Knoll erklärte auch den Sinn des Stephani-Ritts und des Entzündens einer roten Stephani-Votivkerze (eine Neueinführung für den Stephani-Ritt nach Schwarzensee), indem er auf andere alte Wachsopferformen im Hinblick auf das Reiterbrauchtum in anderen Bundesländern verwies.
Wöhrer dankte allen und erklärte, dass in den nächsten Jahren der Stephani-Ritt nach Schwarzensee fixer Bestandteil des Vereinslebens sein wird und auch Pferdefreunde von anderen Vereinen und Ställen willkommen sind.
Wöhrer trug die Stephani-Votivkerze zum alten Stephanusbild in die Wallfahrtskirche von Schwarzensee, die im Beisein von P. Benedikt von Knoll entzündet wurde.
Zum Abschluss wurden den Pferden der Tradition gemäß gesegnetes Brot und Salz verabreicht.
Ähnlich wie beim Pferdebrauchtum verhält es sich im Bereich der Weinkultur. Die Weinsegnung in der Weihnachtszeit am Stephanitag wurde durch jene am Johannistag oftmals verdrängt. Die Schwarzenseer Stephani-Reiter haben im Hinblick auf das alte Stephani-Weinbrauchtum im Anschluss an die Segensfeier ein Gläschen Rotwein zu sich genommen. Beim Heimreiten/Heimfahren haben die Pferdefreunde genug Zeit zum Nachdenken gehabt und dabei den Entschluss gefasst im nächsten Jahr wieder mit ihren Pferden zu kommen. Einer von ihnen, die den Stephani-Ritt aktiv mitgetragen haben, ist Norbert Linsbichler, Vorstand des Ersten Hirtenberger Reit- und Fahrvereins, der mit einem prächtigen Gespann kam. Dass ihm dieser neue Brauch am Herzen liegt, konnte man in seinen Gesprächen bald feststellen. Er hat zudem auch seinerzeit in Hirtenberg am Heiligen Abend das Überbringen des Lichts von Betlehem mit den Pferden eingeführt.
Ansprache von P. Benedikt Stary OCist, Wallfahrtsseelsorger von Schwarzensee, beim Stephani-Ritt am 26. Dezember 2014 vor der Wallfahrtskirche Schwarzensee:
„Es freut mich, dass ich Sie heute am Stephanitag bei der Wallfahrtskirche zum Heiligen Ägydius begrüßen darf. Der Ägydi-Gnadenort Schwarzensee liegt am WallfahrtsWeg WienerWald zwischen den Wallfahrtsorten Neuhaus und Maria Raisenmarkt und ist seit Jahrhunderten insbesondere am Festtag des hl. Ägydius, dem 1. September, das Ziel von Pilgern, die den Heiligen hierorts als Vieh- und Wetterpatron verehren. So führte auch im Jahr 2012 die 1. Niederösterreichische Rosswallfahrt zum Hl. Ägydius nach Schwarzensee, um den Pferden den Segen Gottes zu erteilen. Solange ich hier Pfarrer bin, freue ich mich sehr, wenn Sie am Stephanitag mit Ihren Pferden kommen. Und sollte ich nicht mehr Pfarrer sein, dann sind Sie auch herzlich willkommen.
Heute am 26. Dezember, dem Stephanitag, führt Sie der Stephani-Ritt nach Schwarzensee, um den ersten Märtyrer der Christenheit zu ehren. Dem hl. Stephanus kommt seit alters her ein hoher Stellenwert in unserem Lande zu. So ist auch der Hohe Dom zu St. Stephan in Wien, das Wahrzeichen Österreichs, ihm geweiht. Der hl. Erzmärtyrer Stephanus ist zudem auch der älteste und patroziniumsgeschichtlich hervorragendste Pferdepatron und es wurden im Laufe der Zeit andere Heilige an seiner Stelle als Pferdepatrone verehrt. Als Beispiel der jahrhundertealten Gepflogenheiten sei der Stephani-Ritt genannt, der später durch den Leonhardi-Ritt zu Ehren des heiligen Leonhards oftmals verdrängt wurde. Es freut mich, dass Sie den hl. Stephanus als ältesten Pferdepatron mit dem Stephani-Ritt hochhalten und hierhergekommen sind. Warum sind Sie zum hl. Stephanus gerade in den Ägydi-Wallfahrtsort Schwarzensee gekommen? Auch hier gibt es einen Brückenschlag zur Geschichte. Im Buch ‚Pilgerwege durch den Wienerwald‘ von Otto Kurt Knoll können wir nachlesen, dass bis zum Verbot durch Kaiser Josef II. Prozessionen am Stephanitag hierhergeführt wurden, um den Rosspatron Stephanus um Fürbitte für die Pferde anzurufen. Wie die bäuerliche Bevölkerung seinerzeit vor dem alten Ölbild mit der Darstellung der Steinigung des hl. Stephanus im Langhaus dieser Kirche zum ältesten Pferdepatron am 26. Dezember kamen, so wird heute nach der Ross-Segnung vor diesem Bild eine rote Votivkerze als Zeichen der Verehrung durch die Pferdefreunde entzündet. Die Farbe Rot ist der Hinweis, dass Stephanus sein Leben für Christus mit dem Blut bezeugt hat. Es freut mich, dass der 1. Hirtenberger Reit- und Fahrverein die Initiative ergriffen hat im Jahr 2014 erstmals den Stephani-Ritt nach Schwarzensee ins Leben zu rufen. Was seit Kaiser Joseph II. als erloschen galt, ist im neuem Kleid des Stephani-Ritts und dem damit verbundenem Kerzenopfer wiederbelebt worden: Der älteste Pferdepatron wird hier am 26. Dezember von den Pferdefreunden mit ihren Pferden geehrt. Mögen künftig Reiter und Gespannfahrer mit den Pferden am Stephanitag am Stephani-Ritt nach Schwarzensee teilnehmen. Der hl. Stephanus möge Sie dafür mit seiner Fürbitte stets begleiten. Ich danke Ihnen allen und wünsche Ihnen einen gesegneten Stephanitag und werde nun die Rosse mit ihren Reitern und Fahrern und alle Mitfeiernden segnen.“
(Erster Hirtenberger Reit- und Fahrverein)