Kolumne: Recht gehabt? (Teil 26)
NOEPS-Mitglieder fragen – Pferderechts-Expertin Dr. Nina Ollinger antwortet: Teil 26 des neuen NOEPS-Mitgliederservices!
Frage: “Reitunterricht für Kinder – Ist das überhaupt noch ohne Haftungsrisiko möglich? In einer Reitschule wird Sicherheit, vor allem für Kinder, großgeschrieben. Was ist zu beachten, damit der Reitunterricht auch dann, wenn ein Kind vom Pferd fällt, nicht sofort zu einer Haftung führt? “
“Beim Erteilen von Reitunterricht sind viele Aspekte aus Sicherheitsgründen zu beachten. Bei Kindern tritt hier zusätzlich noch ein Aspekt hinzu: der – erwachsene – Reitlehrer hat für das Kind mitzudenken und für dessen Sicherheit zu sorgen, mehr noch als bei einem Erwachsenen. Der Unterschied ist vor allem darin gelegen, dass Erwachsene für Entscheidungen verantwortlich gemacht werden können; dh juristisch: ihnen kann ein Mitverschulden vorgeworfen werden. Steigt zB ein Erwachsener auf ein Pferd im Wissen, dass seine Reitkünste zu gering sind, kennt er das Pferd vielleicht auch gar nicht oder überschätzt er sich aus anderen Gründen, so wird ihm dies letztlich als Mitverschulden angelastet. Bei einem Kind ist das im Regelfall nicht so, hier ist der Reitlehrer gefragt, der sämtliche Entscheidungen treffen muss.
Um Haftungen zu minimieren, müssen insbesondere die folgenden – bekannten – Aspekte berücksichtigt werden: adäquate Ausrüstung des Kindes (Helm, allenfalls Rückenprotektor, geschlossene Schuhe), entsprechend desensibilisiertes Schulpferd, Witterungsverhältnisse, bestmögliche Eindämmung von Geräuschkulissen (etwa führte schon das geräuschvolle Zuschlagen eines Tores, das einem Einstellbetrieb bekannt war, zu einer Haftung für einen Sturz, der auf ein von diesem Geräusch erschrecktes Pferd zurückzuführen ist), Beschaffenheit des Reitplatzbodens, uÄ.
Wichtig ist, sei es beim Reiten, beim Voltigieren, beim heilpädagogischen Reiten, etc: die relevanten Sicherheitsvorkehrungen müssen zwingend eingehalten werden, um einer Haftung bestmöglich zu entgehen.
Verwirklicht sich bei einem Unfall „lediglich“ die typische Tiergefahr des Pferdes (Fluchttier), so haftet man auch dann nicht, wenn der Schüler ein Kind ist – vorausgesetzt, dass man die oben angeführten Aspekte berücksichtigt hat und Eigenverschulden des Reitlehrers in jedem Fall ausgeschlossen werden kann. Wichtig ist: Der Reitlehrer muss nachweisen, dass ihn an einem Unfall kein Verschulden trifft – das gilt sowohl bei einem Unfall eines Kindes als auch einem solchen eines Erwachsenen.
Der Vollständigkeit halber: Entsprechende Haftpflichtversicherungen, die in der Branche ohnehin üblich sind, sollten in jedem Fall abgeschlossen werden; Ansprüche eines Kindes (genauso wie bei einem Erwachsenen) können bei schweren Verletzungen bisweilen sechsstellige Summen erreichen.
Zusammengefasst: Auch bei Kindern muss ein entsprechendes Verschulden des Reitlehrers vorliegen, damit es zu einer Haftung kommt. Eine automatische Haftung des Reitlehrers, weil der verunfallte Schüler ein Kind ist, gibt es nicht.”